Die Geschichte hinter dem Bild
Thomas Jessen: Fußwaschung. Öl auf Leinwand, 2003.
Das Emblem der Tagung zur „Verortung des Leitungsdienstes in einer sich wandelnden Kirche“: das Bild der Fußwaschung des Künstlers Thomas Jessen ist nicht tagesaktuell gemalt und versteht sich auch nicht originär als diskreter Hinweis auf die Wesensdimension des priesterlichen Dienstes. Seine Entstehung verdankt dieses Bild vielmehr dem ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin. Der Paderborner Diözesantag hatte überlegt, wie man die Losung des Kirchentags im Rahmen einer Standpräsentation aufgreifen und umsetzen sollte: „Ihr sollt ein Segen sein“.
Was lag da näher, als das Motiv der Fußwaschung aufzugreifen, gemalt als ein Fresco im byzantinischen Stil? Man könnte auch an Graffiti auf einer alten Hauswand denken: Erinnerung an ein Ereignis, das schon lange zurückliegt und doch auch heute noch etwas zu sagen hat. Die abblätternde Farbe und die Risse in der Mauerwand zeigen allerdings an, dass die Erinnerung an jene Zeichenhandlung mitunter ziemlich verblasst ist.
Und es ist nicht nur der zeitliche Abstand zu jenem Momentum aus der Gründerzeit der Kirchengeschichte. Es scheint in Vergessenheit geraten zu sein, was doch stilbildend sein sollte für die Lebenspraxis der Jünger Jesu, konstitutiv für Kirche. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15)
Als Eye-catcher und Kontrapunkt zu den verblassenden Farben kommen dagegen die griffbereiten Handtücher ins Bild (in den Farben des Regenbogens) – allerdings nicht nur gemalt, sondern real als Teil der Installation an eben jener Stelle ausgelegt, eine Einladung und Herausforderung für jeden, der hier vorbeikommt: für die Besucher des Kirchentags ebenso wie für jene, die an dem Stand mit jedem, der vorübergeht und innehält, ins Gespräch kommen wollen: darüber, was es bedeutet, heute Kirche zu sein.
Dazu hatte der Künstler für alle Standbetreuer kleine Portraits angefertigt. Wer jeweils an dem Stand „Dienst“ hatte, dessen Bild wurde aufgehängt: eine provozierende Aktualisierung dessen, was auf dem Standbild dargestellt war. Die Botschaft: Wir sind hier, um zu dienen. Und wer sich bückte, um genauer hinzuschauen, was als Fries das Bild umgab, sah in einem Spiegel – sich selbst.